KI da! Unterricht kaputt?
Vergangene Woche freute ich mich sehr, weil ich einen Vortrag über Künstliche Intelligenz und Unterrichtsentwicklung für brasilianische Sprachdiplomsschulen halten durfte. Eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, welche Auswirkungen die KI auf unser Bildungssystem hat oder haben könnte. In einem früheren Blogbeitrag wies ich ja bereits darauf hin, dass Studien große Umwälzungen für die gesamte Arbeitswelt voraussagen. Also sollten wir unsere Schülerinnen und Schüler auch auf diese veränderten Arbeitsumstände vorbereiten.
Unterrichtsideen für den Umgang mit KI
Hier gibt es schon einige spannende Ansätze, die neueste Ausgabe des MIT Technology Review skizziert einige davon. So könnte man beispielsweise die Schülerinnen und Schüler KI-generierte Texte anhand eines Kriterienkatalogs selbst bewerten lassen - eine KI kritisieren tut nicht weh! Oder man könnte den Chatbot als Sparringspartner für Diskussionen, zum Beispiel im Stile von Jugend debattiert verwenden. Generell eignen sich Chatbots gut, um eine Fremdsprache angstfrei zu trainieren, da einen die Maschine natürlich nicht schief anschaut, wenn man etwas falsch macht, sondern ganz im Gegenteil ganz neutral und höflich gute Ratschläge gibt, wie man seine produktiven Fertigkeiten in der Fremdsprache verbessern kann. Sehr schön finde ich auch die Ideen von Daniela Hartmann von der Humboldt-Universität Berlin für den DaF-Unterricht. Unter anderem schlägt sie vor, Kurzgeschichten zu kreieren, die teilweise von der KI und teilweise von den Schülerinnen und Schülern geschrieben werden. Solch eine Mensch-Maschine-Kreation ist wirklich etwas ganz Neues und Innovatives!
Zum Umgang mit KI-Bilderstellungsprogrammen im Unterricht habe ich bisher nur wenig gefunden und war daher sehr erfreut, als ich diese sehr pfiffige Idee von Bob Blume entdeckt habe: Zwei Personen gehen aus der Klasse, der Rest der Klasse beschreibt eine Szene unter Verwendung des Passiv und lässt sich daraus ein Bild generieren. Die beiden Personen kommen zurück in die Klasse und beschreiben wiederum im Passiv, was auf dem Bild passiert ist.
KI-Revolution als Auslöser eines Umdenkens in der Bildung
Über die konkreten Unterrichtsideen mit KI-Einbindung hinaus kann man natürlich auch einmal darüber nachdenken, ob die neuen Möglichkeiten es nicht unabdingbar machen, unseren gesamten Unterricht neu zu denken. Vielleicht sollte man mehr auf Lernprozesse und weniger auf Lernergebnisse fokussieren, wenn solche Ergebnisse auch leicht mit künstlicher Intelligenz reproduziert werden können? Im agilen Projektmanagement taucht immer wieder der Begriff VUCA auf. Agile Methoden sind notwendig, weil unsere Zeit von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität (complexity) und Ambiguität geprägt ist. Ebenso könnte man auch im Unterricht argumentieren, Schülerinnen und Schüler müssen lernen, mit dieser unsicheren Umwelt umzugehen. Ein Ansatz, sich auf zukünftige Anforderungen einzustellen, ist das 4K-Modell des Lernens. Im Unterricht sollen vor allem die vier “future skills” Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und Kommunikation erlernt werden, das reine Erlernen von Faktenwissen wird zwar sicherlich niemals ganz verschwinden, soll aber nicht mehr die absolut zentrale Rolle einnehmen wie bisher.
Eine Methode, die 4K stringent im Unterricht zur Anwendung zu bringen, ist “deeper learning”, das in Deutschland von Prof. Anne Sliwka von der Heidelberg School of Education eingeführt wurde und bereits auch an einigen Deutschen Auslandsschulen eingesetzt wird, wie diese Preisverleihung zeigt:
Wenn Unterricht zunehmend auf die Future Skills ausgerichtet wird, sollten die Prüfungen dies natürlich auch widerspiegeln. Hin zur kontinuierlichen Begleitung des Lernprozesses durch formatives Assessment, weg von rein punktuellem, individuellen Abfragen. Auch hierzu gibt es in Deutschland eine interessante Initiative, das Institut für zeitgemäße Prüfungskultur. Schaut mal rein, welche alternativen Prüfungsformate dort vorgestellt werden und lasst euch inspirieren.
Persönlich würde ich sagen, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Unterricht definitiv einen Mehrwert für Schülerinnen und Schüler bietet und dieses Thema unbedingt angegangen werden sollte. Vor geraumer Zeit referierte ich auch einmal über das SAMR-Modell nach Ruben Puentedura, das digitale Aufgaben in vier Stufen klassifiziert, je nachdem wie viel Neues sie für den Lernprozess bieten. Und ich würde behaupten, die neuen Möglichkeiten, Aufgaben mit KI zu erstellen, sind definitiv auf der höchsten Stufe, der Redefinition von Aufgaben durch Einsatz digitaler Mittel, einzuordnen.